Wetterabhängigkeit von Vakuumanlagen
Der Sommer kommt, die Temperaturen steigen an. Gewitter liegen in der Luft, die Luftfeuchtigkeit erreicht unangenehme Höchstwerte. Viele Menschen bekommen gerade bei schwülem Wetter, d.h. bei warmer feuchter Luft, Probleme. Menschen ja, aber Vakuumanlagen?
Warum sollte eine Vakuumanlage denn abhängig vom Wetter sein?
Im folgenden Artikel erklären wir die physikalischen Zusammenhänge und zeigen mögliche Abhilfen, Maßnahmen und Einschränkungen auf.
Problem:
Die Betreiber nahezu aller Vakuumanlagen kennen folgendes Phänomen. Mit dem Einzug des Sommers steigen leider nicht nur die Temperaturen, auch die Abpumpzeiten der Vakuumanlagen steigen signifikant an. Der jeweilige Anstieg ist dabei von verschiedenen Faktoren abhängig, zum Beispiel von:
- der Größe des abzupumpenden Volumens und
- dem Saugvermögen der Vakuumpumpen,
- der Temperatur der Vakuumanlage,
- dem benötigten Betriebsdruck der Vakuumanwendung, aber besonders auch von
- Temperatur der Umgebung und
- Luftfeuchtigkeit.
In diesem Artikel soll die Wetterabhängigkeit erklärt werden, dafür sind hauptsächlich Luftfeuchtigkeit und Temperatur verantwortlich. Die weiteren genannten Punkte skalieren die auftretenden Probleme in unterschiedlichem Ausmaß:
- Je mehr Gasvolumen pro Zeiteinheit gefördert wird, desto größer auch der absolute Wasserdampfanteil.
- Je größer das Saugvermögen einer Vakuumpumpe, desto größer ist im Allgemeinen auch die Wasserdampfverträglichkeit, womit die Probleme erst später oder in geringerem Umfang auftreten.
- Je niedriger der benötigte Betriebsdruck der Vakuumanwendung ist, desto gravierender sind die Auswirkungen des Wetters auf die Abpumpzeiten.
Physikalischer Hintergrund:
Trockene Luft besteht, vereinfacht, zu etwa 78% aus Stickstoff N2, zu etwa 21% aus Sauerstoff O2 und zu etwa 1% aus verschiedenen Edelgasen, Stickoxiden und Kohlenstoffoxiden. Zusätzlich kann die Luft noch eine gewisse Menge Wasserdampf enthalten, abhängig, von der Luft- bzw. Oberflächentemperatur. Im weiteren wird der thermische Gleichgewichtsfall betrachtet, d.h. Luft- und Oberflächentemperatur sind identisch.
An jeder Wasseroberfläche treten Wassermoleküle vom Wasservolumen in das darüber befindliche Luftvolumen über, das Wasser verdunstet. Die Anzahl der übertretenden Wassermoleküle pro Zeiteinheit ist die Verdunstungsrate, welche hauptsächlich von der Temperatur der Wasseroberfläche bestimmt wird.
Gleichzeitig treffen Wassermoleküle aus dem Luftvolumen auf die Wasseroberfläche und kondensieren dort wieder. Diese Kondensationsrate, d.h. die Anzahl der in das Wasservolumen zurückkehrenden Wassermoleküle pro Zeiteinheit ist nur vom Wasserdampfpartialdruck in der Luft abhängig.
In einem System mit konstanter Temperatur und anfangs trockener Luft stellt sich eine der Oberflächentemperatur entsprechende Verdunstungsrate ein, während die Kondensationsrate zu Beginn Null ist. Durch die ständige Verdunstung steigt die Anzahl der Wassermoleküle in der Luft, d.h. der Wasserdampfpartialdruck steigt und damit auch die Kondensationsrate. Dies geht solange, bis sich das System im Gleichgewicht befindet, d.h. bis Verdunstungsrate und Kondensationsrate gleich groß sind. Die Konzentration der Wassermoleküle in der Luft im Gleichgewicht wird als Sättigungskonzentration bezeichnet.
Mit zunehmender Temperatur steigt die Verdunstungsrate, damit erhöht sich der Wasserdampfpartialdruck in der Luft und die Kondensationsrate steigt ebenfalls, bis sich ein neues Gleichgewicht mit höherer Sättigungskonzentration einstellt. Die Größe der Sättigungskonzentration ist nur von der Temperatur der Wasseroberfläche bestimmt, nicht von der Temperatur der Luft.
Die Größe des Sättigungsdampfdrucks psat,w über einer Wasseroberfläche kann anhand der Magnus-Gleichung im Bereich von -50°C bis +100°C berechnet werden:
mit dem Sättigungsdampfdruck psat,w in [Pa] und der Temperatur t in [°C].
Abbildung 1 zeigt den Sättigungsdampfdruck für Wasserdampf über einer Wasseroberfläche.
Die Sättigungskonzentration oder Sättigungsdichte ρsat,wvon Wasserdampf in der Luft entspricht dann der maximalen Menge an Wasserdampf, welche ein Luftvolumen bei einer bestimmten Temperatur aufnehmen kann.
mit der Sättigungsdichte ρsat,w in [kg/m3], der molaren Masse von Wasser Mw=18,02·10-3 kg/mol, der absoluten Temperatur T in [K] und der universellen Gaskonstante R=8,314 J/(mol·K).
Die Verdunstungsrate des Wassers ist physikalisch durch die Bindungskräfte begrenzt, daher dauern Ausgleichsvorgänge nach Temperaturänderungen relativ lange, weshalb der Wasserdampfanteil der Luft fast immer nur eine Teilsättigung aufweist. Der prozentuale Anteil dieser Teilsättigung an der Vollsättigung wird als relative Luftfeuchtigkeit bezeichnet.
Abbildung 2 zeigt die Sättigungskonzentration [100%], sowie einige Teilsättigungskonzentrationen für Wasserdampf in der Luft in Abhängigkeit von der Oberflächentemperatur.
Auswirkungen:
Um zu verstehen, welche Auswirkungen die Wasserdampfkonzentration in der Luft auf das Abpumpverhalten von Vakuumanlagen hat, muss bedacht werden, dass dieser Vorgang auch umgekehrt betrachtet werden kann. Warme, gesättigte Luft kondensiert an kälteren Oberflächen, wobei Wärme übertragen wird, bis sich wieder ein Gleichgewicht einstellt. Auf der kälteren Oberfläche hat sich ein ebenfalls kälterer Feuchtigkeitsfilm gebildet. Die Kondensationsrate nimmt langsam ab, bis sich wieder ein Gleichgewichtszustand eingestellt hat.
Kondensationsvorgänge sind, aufgrund der relativ geringen Wärmekapazität der Luft, schnell, d.h. die Oberflächen reichern sich rasch mit Feuchtigkeit an. Und diese ganze Feuchtigkeit muss während des Abpumpvorgangs wieder entfernt werden.
Zur Verdeutlichung der Unterschiede seien hier zwei Beispielrechnungen für die anfallende Wassermenge in der Luft, einmal für einen Tag im Winter, einmal im Hochsommer.
Für die Wasserdampfsättigungskonzentration gilt:
Im Winter beträgt die Temperatur t=5°C, damit ist die absolute Temperatur T=278K. Für die Sättigungsdichte ergibt sich damit ein Wert von ρsat,w=6,80 g/m3 (siehe Abbildung 2).
Im Sommer beträgt die Temperatur t=30°C, die absolute Temperatur ist dann T=303K. Für die Sättigungsdichte ergibt sich damit ein Wert von ρsat,w=30,28 g/m3 (siehe Abbildung 2).
Unter der Annahme, dass die Oberfläche der Vakuumkammer immer die gleiche Temperatur aufweist, erkennen wir, dass im Sommer die 4,5-fache Menge an Wasserdampf zugeführt wird.
Kommt es zur Kondensation in der Vakuumanlage, verlängert sich die Abpumpzeit sofort signifikant. Vakuumpumpen können nur gasförmige Stoffe fördern, d.h. das gesamte kondensierte Wasser muss wieder in die Dampfphase zurückgeführt werden. Durch die Verdunstung kühlt dabei allerdings die Oberfläche weiter ab, wodurch die Verdunstungsrate noch weiter abnimmt.
Der Druck in der Vakuumkammer sinkt, solange noch Wasser, bzw. Eis vorhanden sind, analog zur Temperatur gemäß Abbildung 1.
Eine andere Variante der Vakuumanlagen sind Kurztaktanlagen, die immer wieder in relativ kurzen Zeitabständen auf Atmosphäre belüften und dann wieder evakuieren. Das geförderte Gasvolumen ist also recht hoch, d.h. es wird im Sommer auch ein deutlich höherer Wasserdampfgehalt gepumpt. Damit kann es zur Kondensation von Wasser sowohl in der Vakuumanlage, aber auch in der Vakuumpumpe kommen, womit der Basisdruck deutlich ansteigt und es zu weiteren Verlängerungen der Abpumpzeit kommen kann.
Abhilfen:
Mögliche Maßnahmen gegen die wetterbedingte Abpumpzeiterhöhung sind zum Beispiel:
- Erhöhung der Oberflächentemperatur in der Vakuumkammer während der Belüftung,
- Belüftung mit bereits getrockneter Luft,
- Einsatz eines Kältegenerators mit Kühlfalle zur Erhöhung des Wasserdampfsaugvermögens (dazu später mehr in einem weiteren Artikel).
Zum Schutz der Vakuumpumpen vor Anreicherung mit kondensiertem Wasser kann der Gasballast eingesetzt werden. Einsatzmöglichkeiten, Einschränkungen und mögliche Limitierungen durch die eingesetzten Vakuumpumpen werden im demnächst folgenden Artikel aufgeführt.